Freitag, 15. Februar 2013

Sumo

Dank der Uni gab es - nach Rakugo, über das ich euch nichts berichtet habe, weil es weder Bilder noch was zu berichten gab - als nächstes kulturelles Highlight einen Besuch beim SUMO.

Jawohl, die dicken Männer ohne Klamotten, japanischer Nationalsport und so... Das ganze war eine Charity-Veranstaltung, aufgezeichnet von NHK (öffentlich-rechtlicher Sender Japans), und bot neben fast nackten Männern auch ein paar (angezogene) Enka-Sängerinnen (japanische Pop-Volksmusik) und eine Idol-Girl-Group. Dazu später mehr.

Noch vor Beginn der Veranstaltung. Unten, bei den Sitzplätzen, bei denen alle auf dem Boden sitzen, ist es noch ziemlich leer und auch oben in den Rängen geht noch was... Wir waren glücklicherweise oben untergebracht und mussten uns nicht auf dem Boden zusammenfalten. Das Ganze übrigens im Sumo-National-Stadion. Oder wie man das nennen will.

Jeder der Helden der laufenden Saison hat sein eigenes Bild an der Decke. Dabei sind nicht nur Japaner, es gibt auch Mongolen, Bulgaren, einen Esten... Geradezu international. Nur merken darf man das natürlich nicht, muss alles schön japanisch aussehen.

Sunny, Sayuri, isch
Wie auch schon beim Rakugo zuvor: Kaum sitzen die Japaner auf ihren Plätzen, wird die Bento-Box ausgepackt (quasi ein Lunch-Paket). Diese Veranstaltungen haben dann immer so ein bißchen Schulausflugs-Charakter.
Erst wird getrommelt, dann gesungen. Das hat mich dann doch überrascht: die meisten der Herren können gar nicht schlecht singen.
 



Zwischen den einzelnen Kämpfen wird jeweils angesagt, wer jetzt dran ist, wie alt er ist, wie groß, und was er wiegt. Nicht sehr nett, wenn ihr mich fragt.

Die typischen Posen gehören vor jedem Kampf dazu. Ziemlich ausgiebig. Im Ergebnis dauert das drumrum bei diesen Kämpfen in der Regel deutlich länger als der Kampf selbst. Das ist meist eine Sache von Sekunden.

Die Sitzhaltung derjenigen, die gerade nicht dran waren, fand ich auch ziemlich amüsant. Aber da es nun mal keine Sitzgelegenheiten gibt...
Auch der Nachwuchs musste bei einer Charity-Veranstaltung natürlich gewürdigt werden. Die kleinen wurden natürlich durch den Ring getragen und konnten auch zu viert nicht so viel gegen die Profis ausrichten... Aber wie sagen die Japaner so schön: Ganbatte! Gib dein Bestes!
Und dann wurde es spooky. Man erahnt auf den Bilder vielleicht diese Leuchtstäbe, die in verschiedenen Farben vertreten waren. Diese Leuchtstäbe waren, neben farblich abgestimmten Klamotten, das Haupt-Accessoire der Fans der Girl-Group "momoiro clover z".


 Die Mädchen waren auf der Bühne, die Fans flippen aus.


Also, um es noch mal auf den Punkt zu bringen: da werden 16- bis 18-jährige Mädchen von jungen Männern um die 25 zusammengebrüllt. Das war eindeutig zu viel Testosteron und zu viel sexuelle Frustration - alles in allem fanden die Jungs das vielleicht toll, die Austauschstudentinnen haben sich allerdings ziemlich erschrocken angeguckt. Ziemlich aggressiv, die Fans. Nicht schön.



Bei den Gesangsdarbietungen waren Fotos veboten, daher gibt es davon keine Bilder mehr. Falls ihr euch ein Bild machen wollt, wie sich das ungefähr angehört hat, findet ihr die Videos auf Youtube.
Hier zum Beispiel Momoiro Clover Z. Hier auch in Live, man kann das Publikum ganz gut hören...
Hier ein Video von Moriyama Aiko.
Ganz schlimm auch, dass die Fans sich in der Farbe ihres Lieblings-Mädchen angezogen hatten. Da waren eindeutig zu viele Männer in Pink unterwegs.
Gut, aber da es ja eigentlich ein freudiges Event war und nur auf uns so bedrohlich wirkte (hab nur ich ungute Gefühle, wenn Massen von Leuten wie verrückt das Gleiche brüllen??), ging es dann auch weiter im Programm mit mehr Sumo. Ich hatte ja von verschiedenen Leute gehört, dass solle total beeindruckend sein. Ich kann diesen Eindruck aber nicht teilen. Ich fand's langweilig. Und schön sind die Typen auch nicht. Wirklich nicht.





Endzeremonie: die Kämpfer werden noch einmal alle in den Ring gerufen. Also, es gibt zwei verschiedene Kreise, die gebildet werden, warum, kann ich nur raten. Im Sumo gibt es wohl die östliche und die westliche Schule, bzw. die Präfekturen werden entsprechend sortiert. Es ergeben sich zwei Gruppen von Kämpfern, die mindestens in Tokio und einer anderen Stadt Turniere austragen. (Kyoto? Osaka? Ich hab keine Ahnung). Also auch zweimal der ganze Einlauf, einmal links rum, einmal rechts rum. schnarch.







Dann wird noch ein besonder erfolgreicher Kämpfer (der Gewinner des vorangeganenen Turniers?) mit einer schicken Schleife versehen (am Rücken) und vollführt wieder die gleichen symbolischen Riten, die schon den ganzen Tag vollführt wurden. Klar, die Herren zeigen schon Körperbeherrschung, aber sich das jetzt ständig wieder neu anzuschauen... die "Magie" des Sumo erschließt sich mir irgendwie nicht.




Und hoch das Bein.


Ja, das war unser Ausflug zum Sumo. Muss man alles mal gesehen haben. Zumindest, um eine Basis für seine Meinung zu haben :-)
Im Gegensatz zu den Deutschen, die nach dem zweiten Weltkrieg die meisten Traditionen und Bräuche gnadenlos über Bord geworfen haben, wird hier die Fahne der Tradition und des Ur-Japanischen hochgehalten. Ich finde mich in einem Zwispalt wieder. Auf der einen Seite finde ich, dass die Verbreitung der christlichen Normen und Werte über die ganze Welt ziemlich viel kaputt gemacht hat und insgesamt nicht unbedingt das beste war, was der Welt passieren konnte. Auf der anderen Seite finde ich das übermäßige Festhalten an Dingen, die vor allem deshalb als wichtig angesehen werden, weil sie (vermeintlich) alt sind, irgendwie auch überflüssig. Eine Gesellschaft, die viele dieser Traditionen hegt und pflegt, und sie nicht zuletzt zur Abgrenzung zu anderen Kulturen nutzt, steht automatisch auf der konservativen, ausgrenzenden Seite.
Ich finde einige der Kunsthandwerke, die es (auch hier) gibt, ja wirklich toll und wenn ein Handwerk ausstirbt, geht in meinen Augen immer etwas verloren. Aber sorry, bei Sumo (und noch mehr bei Noh-Theater, wo wir heute waren), fühl ich mich immer wie im Märchen "Des Kaisers neue Kleider". Alle brüllen: wie toll, wie wahnsinnig, wie aufregend. Und ich denk: was für ein Quatsch. Und im Fall von Sumo: Verdammt, schaut doch mal hin! Die haben doch gar nichts an!!



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