Mittwoch, 28. November 2012

Herbst-Spaziergänge

Das letzte Wochenende startete mit einem Feiertag am Freitag - daher für mich also schon am Donnerstag (weil ich da keine Uni habe). Herrlich, vier freie Tage - und nichts vor. Obwohl, das stimmt so nicht, für Samstag war ein Besuch im Zoo geplant, immerhin.
 
Bei uns an der Bahnstation wurde jetzt die Weihnachtsdeko ausgepackt. Bildet für mich einen herben Kontrast zu den darunter blühenden Blumen...
Was ich Donnerstag und Freitag gemacht habe, kann ich jetzt schon gar nicht mehr sagen, kann also nicht so aufregend gewesen sein. Auf jeden Fall hab ich die Gelegenheit genutzt und hier mein Zimmer mal wieder gesaugt. (War nötig) Das ist aber auch wirklich immer ein Krampf... Im Hightech-Land Japan sind nämlich die Staubsauger einfach mal sch*****, um es auf deutsch zu sagen. Hier im Haus gibt es bestimmt fünf verschiedene Modelle zur Auswahl, drei hab ich jetzt getestet. Der erste war "geht so", und nach dem Test des zweiten hatte ich kurzzeitig wirklich die Hasskappe auf. Das Ding konnte nicht mal ein einzelnes Reiskorn aufsaugen, das am Boden lag!? Kurzzeitig hatte ich also die Theorie aufgestellt, dass in Ländern, in denen es mit der Gleichberechtigung nicht so weit her ist, auch die Elektrogeräte für den Haushalt nicht so richtig ausgereift sind - weil es ja total egal ist, ob frau jetzt effizient arbeiten kann oder stundenlang mit Staubsaugen beschäftigt ist. Zwischenzeitlich habe ich mich dann wieder beruhigt und dachte, es könnte ja auch an der elektrischen Spannung liegen - das Stromnetz gibt hier halt nur 100 Volt her, vielleicht kann man damit einfach keine besseren Staubsauger herstellen. Beim dritten getesteten Modell gab es eine "Power"-Taste. Für etwa drei Minuten hat das Ding richtig gut gearbeitet - und sich dann wieder auf halbe Leistung runtergefahren, weil er sonst zu heiß gelaufen wäre. WTF???? I was not amused. Über die Waschmaschinen und Trockner lasse ich mich jetzt nicht noch zusätzlich aus (aber was will man auch erwarten, wenn ausschließlich mit kaltem Wasser gewaschen wird. / In den Trocknern bleibt immer genau ein Teil so richtig nass. Keine Ahnung, warum. Es ist immer ein einziges Teil, das hinterher noch schön rausgehängt werden muss...) Vielleicht ist ja an meiner Gender-Elektrogeräte-Theorie doch noch was dran. Dann müßten die Haushaltshelfer in skandinavischen Ländern eigentlich Wolke sein. Hat da jemand Erfahrung mit?

Nun aber zurück nach Japan. Ich habe dann am Samstag nicht den Zoo besucht (Treffpunkt war schon um 10.30 Uhr in Ueno und ich sah mich nicht in der Lage, an einem freien Tag freiwillig vor 9 Uhr aufzustehen...) Nach Ueno bin ich aber dennoch gefahren, nur etwas später. Und statt in den Zoo bin ich einmal rund um den Ueno-Park gegangen - das war erstens billiger und zweitens deutlich leerer als im Park oder im Zoo. Da war nämlich die Hölle los... Außerdem hab ich inzwischen die Erfahrung gemacht, dass es durchaus von Vorteil ist, allein unterwegs zu sein. Kann man alles mit sich selbst ausmachen... ;-) Hier also ein paar Eindrücke aus Ueno.



Modell eines Wals vor dem Naturhistorischen Museum (oder wie auch immer das heißt)
 

Zur Zeit flippt das ganze Land aus, weil die Herbstblätter sich verfärben und dabei so schön bunt werden. Weshalb es auch im Fernsehen jede Menge Sendungen gibt, in denen irgendwelche "Talents" an besonders sehenswerte Orte gefahren werden, um dann mit großem Ah und Oh die Blätter zu bestaunen. (Zu den Talents an anderer Stelle irgendwann mehr - jetzt nur so viel: ein "Talent" zu sein, heißt, im Fernsehen aufzutreten zum Beruf zu machen. Hat wenig bis nichts mit tatsächlichen Talenten zu tun.) Die Japaner berauschen sich kollektiv an der Schönheit ihres Landes, da kommt bei mir schon wieder ein gewisser Widerwille zu Vorschein (weil ich ja immer bockig werde, wenn ich tun soll, was alle tun, am besten mit der Begründung, dass es doch alle tun). Dennoch habe ich natürlich auch ein paar Fotos von bunten Blättern geschossen, schon damit ihr nachvollziehen könnt, worum es geht.



Ja, alles sehr hübsch und außerhalb der Großstadt natürlich nicht nur so vereinzelt sondern als großer Gesamteindruck. Bestimmt alles ganz schön, aber trotzdem kein Grund, so einen Aufriss darum zu machen. Ist ja schlicht natürlich und - da spiel ich jetzt mal Prophet - passiert ganz bestimmt in nächsten Jahr wieder. Mit anderen Worten: ich versteh es mal wieder nicht... (PS: kleine Anekdote am Rande dazu: ich hatte den Entwurf für diesen Post schon angefangen, da kam heute im Unterricht (u.a.) die Frage auf, was denn das besonders Schöne an Japan wär. Antwort... drei Mal dürft ihr raten... "Japan hat vier Jahreszeiten"! Eine japanischere Antwort auf diese Frage kann es nicht geben.)

Ganz hinten: der Skytree, diesmal aus der Ferne fotographiert

Das find ich viel spannender als rote Blätter: hier blühen noch so viele Blumen, für mich - da es ja stark auf Weihnachten zugeht - der viel außergewöhnlichere Eindruck...

Mein Sinnbild für das Verhältnis von Japan und Natur: Natur ist toll, aber richtig schön ist erst, was gestaltet wurde. Und am Ende ist von Natürlichkeit nichts mehr zu sehen, außer das Wasser Wasser bleibt und Stein irgendwie Stein ist, wenn auch bearbeitet.

Auch in Tokyo kommt man auf seine japanischen Momente - wobei der alltägliche Eindruck halt eher "undefinierte Großstadt" ist und man für diese Ansichten schon mal den kompletten Hintergrund bzw. alles rechts und links ausblenden muss.

Für diejenigen, die ortskundig sind oder diejenigen, die es nachschauen wollen: ich bin jedenfalls mit der Yamanote-Linie bis Uguisudani gefahren und dann um den Park herum gelaufen. Auf dem andern Ende befindet sich die "Laguna Shinobazu" (steht jedenfalls in meinem Reiseführer), ein kleiner Teich mit einem Schrein ("Bentendo") auf einer Insel und abgeteiltem Bootsteich. Ein bißchen erinnert es dort an die Alster, aber wirklich nur ein bißchen.


Im Sommer kann man von der Wasserfläche vor lauter Pflanzen vermutlich gar nichts sehen.


echt dicke Fische im Teich

ich hab euch für den Größenvergleich mal eine Ente daneben gesetzt ;-)





Sieht so ganz idyllisch aus, oder? Aber wieder nur, weil ich die Hochhäuser fast weggeschummelt habe (siehe unten)


 Das war der Rundgang vom Samstag.

Am Sonntag bin ich dann nach Harajuku gefahren. Wer Tokyo kennt, weiß jetzt schon: Sonntag - Harajuku --> Fehler. Es war so erbärmlich voll, nicht zum Aushalten. Allerdings bin ich ja hingefahren, um Ann und ihre Freunde zu sehen, die an diesem Sonntag einen "Fashion Walk" machen wollten. Soll heißen: Anhänger verschiedener Kleidungsstile, denen allen gemein ist, dass sie nichts mit Alltagsklamotten zu tun haben, treffen sich in voller Montour um den Normalbürgern mal zu zeigen, was Kleidungstechnisch alles geht, wenn man nur will.

Das ist Ann, wenn sie sich besonders hübsch gemacht hat. :-)



Da es mir, wie gesagt, in Harajuku einfach viel zu voll war, bin ich durch den Yoyogi-Park nach Shibuya geflüchtet - was dann der Spaziergang am Sonntag war. Harajuku, nur noch als Erklärung, ist DAS Fashion-In-Viertel von Tokyo, wo jeder Jugendliche und Berufsjugendliche am Wochenende auf Schnäppchenjagd geht. Nur besonders groß ist es nicht, daher ist es sehr schnell sehr voll.

Im Yoyogi-Park bin ich dann auf eine weitere Touristenattraktion gestoßen: die Rockabillies von Tokyo. Die sich bei gutem Wetter (nehme ich an) vor dem Yoyogi-Park treffen und tanzen. Es gibt davon auf Youtube diverse Videos (z.B.hier), aber ich hab nur zwei Bilder gemacht. Kleidungstechnisch sind die Jungs für mich allerdings ganz weit vorn.


Außerdem gab es natürlich wieder bunte Blätter, jede Menge Menschen, blühende Blumen (bin im Rosengarten gewesen, wie man sieht) und (Klein-) Kunst an jeder Ecke. Im Park toben sich alle aus - von übenden Cheerleader-Gruppen über traditionelle Tanzgruppen bis kickenden Schülern, von Trommeln bis Pantomime gibt es alles...






Und auf dem Weg nach Shibuya bin ich dann noch in einen Öko-Markt geraten. Ich hab zwar nichts gekauft, aber es ist doch schön, dass es so was auch hier gibt. In einem Land, das dem Plastik-Wahnsinn noch relativ ungebremst huldigt...
Damit war ich dann auch fast in Shibuya angekommen, von wo es nichts weiter berichtenswertes mehr gibt. Natürlich hab ich es nicht geschafft, am Mandarake-Shop vorbeizugehen. Versteht sich...

Und bei diesem blumenreichen Post kann ich ja das Ikebana-Werk dieser Woche gleich noch unterbringen.
Auch in diesem Fall haben wir die Natur nicht einfach Natur sein lassen können... nein, die Blätter haben von Natur aus leider nicht die perfekte Form, da muss man dann schon mal mit Draht der Sache auf die Sprünge helfen... Ein Hoch auf das japanische Verständnis von Natürlichkeit und Naturverbundenheit! Ah, das bringt mich zu einer Frage am Schluss. Wir haben nämlich eine Hausaufgabe auf: "Vergleiche das japanische Verständnis von Ästhetik mit dem deutschen Verständnis von Ästhetik." Äh. Ja. Ich denke da jetzt seit drei Tagen drüber nach und mir fällt kein gesamtdeutsches Beispiel für ästhetisches Empfinden ein. Gibt es irgendwas, was annähernd alle Deutschen gleichermaßen schön finden? Wer mir in dieser Hinsicht weiterhelfen kann: Hilfe! Bitte! Was ist schön?





Sonntag, 25. November 2012

Hanazono-Schrein-Fest

Letzte Woche Dienstag war am Hanazono-Schrein in Shinjuku ein Tempelfest. Da das ziemlich zentral ist, haben wir beschlossen, dort zusammen hinzugehen.


Es entstand ziemlich schnell das übliche Problem: wenn man mit einer Gruppe in einer Menschenmenge unterwegs ist, ist man mehr damit beschäftigt, sich gegenseitig nicht aus den Augen zu verlieren als tatsächlich die Umgebung wahrzunehmen.


Kann man die Menschenschlange auf der Treppe erahnen? Hier stehen die Japaner an, um im Schrein ein Gebet zu sprechen
Na gut, das ganze sieht für mich natürlich eher nach Folklore aus, für die Japaner ist es aber ein Teil ihres Glaubens und daher eine ernst Angelegenheit. So niedlich man das auch finden mag, wenn man nicht mit dieser Kultur aufgewachsen ist. Insofern war ich erst ein bißchen traurig, dass ich mir kein Mitbringsel gekauft hab, muss im Nachhinein aber sagen: meine religiöse Ader hab ich auch hier nicht entdeckt. Was bitte will ich mit religiösem Nippes? Ich hab dort tatsächlich nur Essen gekauft und DAS war verdammt lecker.
Nein, von den Fischen hab ich keinen genommen. Sehen aber nicht so schlecht aus, oder?
vermutlich süß gefüllte Dinger, wie Krapfen? oder so... obwohl es auch eine Variante mit Käse gibt.
die Haupt-Zutat für Takoyaki (gebackene Krakenbällchen)
aus diesen Zutaten war mein Abendessen :-)
nämlich ein gefülltes Teigetwas mit Kohlstreifen, Bacon, Ei drauf.. im Bild links. sehr lecker.


dies also eine Auswahl der Dinge, die ich nicht gekauft habe...
 

auch wenn mir die Sachen mit den Katzen schon gefallen haben


keine Ahnung, warum da überall Katzen sind...

Schlange vor dem Haupteingang


meine Erfahrung mit Süßigkeiten hier: sieht alles toll aus, schmeckt aber leider nicht so gut, wie es aussieht. daher: für mich keinen Nachtisch an diesem Abend...




Wie gesagt, unsere Hauptbeschäftigung bestand darin, uns nicht zu verlieren bzw. zu Suchen, wenn uns mal wieder eine Studentin abhanden gekommen war. Ansonsten ist von dem Fest wenig besonderes zu berichten. (Ich hab darauf verzichtet, hier ein Glückslos zur Vorhersage der Zukunft zu ziehen. Aber hübsch ist es, und die Klingel hat schon eine imposante Größe.)

Keine Ahnung, warum, aber wir sind dann auch überhaupt nicht lang geblieben. Die Mädels aus dem anderen Wohnheim sind ziemlich schnell nach Hause gefahren, Sonja und ich haben noch einen Spaziergang durch Shinjuku/Kabukicho gemacht. Kabukicho ist mit dem Hamburger Kiez vergleichbar - Amüsiermeile mit schlechtem Image und finsteren Gestalten... und wohl tatsächlich so was wie das verruchte Viertel Tokyos.
 
Findet sich in fast jedem Reiseführer - der Eingang von Kabuki-cho
Hat aber auf jeden Fall auch äußerst amüsante Momente, weil hier nämlich die meisten "Host-Clubs" angesiedelt sind. Host-Club heißt: äh... Männer bekommen von Frauen viel Geld dafür, dass sie sich mit ihnen unterhalten bzw. die Damen kaufen im entsprechenden Club wahnsinnig teuren Alkohol. Dafür bekommen sie Aufmerksamkeit, nette Gespräche und angenehme Begleitung. Gut, liegt natürlich alles im Auge des Betrachters/der Betrachterin. Auf jeden Fall hängen nicht nur die Bilder der Hosts draußen an den Clubs, um potentielle Kundinnen zu ködern, sondern in den Clubs gibt es neben ihren Portraits auch das entsprechende Ranking - damit die Kundin genau weiß, ob sie sich gerade mit der Nummer eins oder der Nummer drei des Clubs unterhält. Vermutlich gemessen am Umsatz. Vermutlich ist auch die Nummer eins teurer als die Nummer drei. Und solange in ihren Clubs noch nichts so viel los ist, stehen die Jungs auf der Straße rum und versuchen dort, Kundinnen zu angeln. Ich hab mal wieder keine Bilder davon, das muss man eh mit eigenen Augen sehen, um es zu glauben. Allerdings kann ich euch Bilder aus einem kostenlosen Kleinanzeigen-Magazin anbieten. So etwa sehen die Herren aus, die da auf der Straße baggern, und zwar ALLE:


Cover des besagten Magazins. Ihr dürft euch euren Teil denken.
Bei Gelegenheit muss ich da eigentlich noch mal hin und mir die Show mal in Ruhe ansehen. Das ist bestimmt hoch-interessant. Diese Form, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, ist übrigens ein relativ häufig vorkommendes Thema in diversen Manga (Comics), es gehört zwar vielleicht nicht zu den angesehenen aber doch zu den etablierten Möglichkeiten, sein Geld zu verdienen, und das Klischee sagt natürlich, dass in diesem Bereich ziemlich gut verdient wird. Für mich gehörte das allerdings bisher wirklich in den Bereich der Phantasie, daher wirkte das Ganze etwas surreal. Muss ich wohl umdenken... Alles echt.

Aber auch in Kabukicho gibt es ruhige Ecken - zum Beispiel diesen Weg, der mitten durch das Viertel führt. "Park" zu sagen, wäre schon sehr hochgestapelt... Auf jeden Fall eine verblüffend stille Oase im Großstadtdschungel. Und als wir da rauskamen, standen wir wieder vor dem Hanazono-Schrein, wo unser Ausflug auch begann. Da schließt sich der Kreis... in dem wir gelaufen sind. Egal! Per pedes kann man die Stadt eh am besten erkunden, glaub ich. Andererseits... Tokyo funktioniert im Prinzip genau wie Hamburg. Jeder Stadtteil hat/ist ein eigenes Einkaufsviertel, so daß man seinen Stadtteil eigentlich nicht verlassen muss. Für uns "Dauer-Touristen" ist dann die Frage des Tages: Wo kaufen wir heute ein? Ja, einkaufen und shoppen sind, glaub ich, die einzig wahren Tätigkeiten in Tokyo...