Sonntag, 7. Oktober 2012

Tokyo von oben und unten

Am Freitag ging das Touristenprogramm gleich weiter: Rauf aufs Rathaus (45ster Stock) und die Rundumsicht auf die Stadt genossen.

So sieht das noch von unten aus:





und so von oben:





Doch, es gibt ein paar Bäume. Aber nicht so viele wie Menschen. Oder Häuser. Ein Häusermeer bis zum Horizont (und vermutlich noch weiter). Aber wie das so ist, vermutlich in allen großen Städten: die eigentliche Größe bekommt man ja überhaupt nicht mit, weil man ja eh immer auf den eigenen Standpunkt begrenzt ist und die Größe nur dann bemerkt, wenn sie gerade unpraktisch ist - wenn man zum Beispiel irgendwo in der Stadt hin will, aber erst mal ne dreiviertel Stunde mit der Bahn fahren muss - oder wenn es gerade praktisch ist, weil es in dem Stadtteil wo man losgefahren ist, tierisch geschüttet hat, aber da wo man hinwill alles trocken ist.

Überhaupt, Bahn fahren. Ist ja erst mal die beste Form der Fortbewegung in einer so großen Stadt, würde ich mal sagen. Theoretisch alles schön und gut, aber man kann es ja auch ein bißchen komplizierter machen. Einfach kann ja jeder.
Hier ist es beispielsweise so, dass es nicht nur einen Anbieter für ÖPNV gibt, nein, es gibt mehrere. Und bei jedem Anbieter kann/muss man seine Tickets einzeln kaufen. Mit anderen Worten: Von meinem Wohnheim aus fährt man mit der Tokyo Metropolitan (der U-Bahn) bis nach Ikebukuro. Von dort aus muss man aber - weil man beispielsweise nach Ueno will - in die S-Bahn umsteigen. Also von der Metro zur Japan Railway (JR) wechseln. Das heißt: raus aus der U-Bahn, durch die Fahrkartenkontrolle, durch den Bahnhof rennen (im Extremfall auch: aus dem einen Bahnhof in den anderen Bahnhof rennen), dann beim anderen Anbieter eine Fahrkarte kaufen und durch die Fahrkartenchecks wieder rein. Das ganze wird erleichtert, wenn man eine aufladbare Fahrkarte hat, die alle Anbieter akzeptieren. Aber die Rennerei bleibt... Und im Zweifel bzw. an großen Umsteigebahnhöfen wird das dann auch schon mal unübersichtlich. Apropos unübersichtlich. Hier mal der Plan für die U-Bahn.

Und hier der Plan von JR.
Miteinander kombiniert sieht das ungefähr so aus:

Ich denke, ab einer bestimmten Größe können wir einer Stadt das Label "unpraktisch" verpassen. Auch wenn meine Japanisch-Lehrerin das Leben in Tokyo total praktisch findet. Ich würde wiedersprechen wollen.
Auch im Namen derjenigen übrigens, die gar nicht in Tokyo wohnen. Weil es nämlich - wie ja alle wissen - wahnsinnig teuer ist, hier zu wohnen, bleiben beispielsweise viele der Studentinnen der Gakushuin Joshi Daigaku (meiner Uni hier) bei ihren Eltern wohnen, was für nicht wenige heißt: sie wohnen im Umland und fahren jeden Tag zwei Stunden lang zur Uni und zwei Stunden zurück. JEDEN TAG. VIER STUNDEN. Ich verstehe, dass ihnen wenig anderes übrig bleibt, aber ich denke doch, da gibt es irgendwo einen Fehler im System.

Aber neben diesen grundsätzlichen Fragen, die sich hier immer mal wieder nebenbei stellen, war ja auch der Freitag noch nicht vorbei. Vielmehr haben wir uns, nach einem kurzen Bummel durch Shinjuku wieder mit M-san (der mit den schwimmenden Nudeln) und Naomi getroffen.


Diesmal ging es zum Tempura-Essen in ein Restaurant.


In dem Becken hinter uns schwimmen übrigens die Shrimps rum, die man dann hübsch im Körbchen serviert bekommt.
Das war bis dahin schon ein sehr schöner Abend, und nicht zuletzt deshalb denkwürdig, weil ein japanischer Salary-man (aus dem Heer von Angestellten in großen Firmen und Beamten, die alle irgendwie gleich und tatsächlich immer sehr klischeehaft aussehen. Alle gleich! Dunkler Anzug, weißes Hemd...) uns eine Flasche Nihonshu (Sake) ausgegeben hat. Denis hat durchaus versucht, sich zu unterhalten, ich hab aber - wie üblich - kein Wort verstanden. Kurze Zeit später war ich ganz froh über diesen Umstand, weil ich irgendwelche Gespräche über Rommel dann doch nicht führen wollte. Muhar, das Klischee haben wir dann also auch mal abgefrühstückt - Deutschland und Japan, die alten Kriegsverbündeten! *würgs*

Aber wir haben den guten Mann dann seiner Wege ziehen lassen und sind auf den besonderen Wunsch eines Einzelnen zum KARAOKE gegangen. Abgesehen davon, dass das ziemlich teuer ist (klar, Freitag Abend zur besten Zeit), war das aber doch sehr lustig. Aber wie soll man sich in Ruhe amüsieren, wenn man nur eine Stunde Zeit hat? Ganz besonders gruselig waren die Gestalten, die man in den anderen Kabinen erahnen konnte - total betrunkene Salarymen mit ihren ebenso wackelig stehenden Kolleginnen (OLs = Office Ladys)... Huiuiui, das war mal wieder ein Klischee, das Wirklichkeit wurde... Hatte ich erwähnt, dass Tokyoter U-Bahnen spätabends und am Wochenende irgendwie IMMER nach Schnaps riechen? Und dann sitzen da nur diese fertigen Büro-Typen/schlafenden Frauen, die alle noch ihre Businessklamotten anhaben, und man fragt sich, wer von denen denn jetzt bitte so ausdünstet... aber vermutlich ist die Antwort: alle.



Ich habe auf jeden Fall mein Hass-Lied "99 Luftballons" zum Besten gegeben, außerdem zwei (!) Lieder auf japanisch. Yey!
Und dann, wie immer, wenn man nicht von vorneherein vorhat, die Nacht durchzumachen: Ab zur Bahn, damit man noch nach Hause kommt. Blödes System, irgendwie. Das ist dringend verbesserungsfähig! Aber dennoch: ein sehr guter Tag. Dank auch an Denis! Und natürlich an M-san und Naomi :-)







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